Die loste Generation – eine Kritik aus linksradikaler Perspektive

Einleitung

Die Aktionen der „letzten Generation“ für mehr Klimaschutz erregen in letzter Zeit viel mediales Aufsehen und werden von bürgerlichen Medien oft kritisiert. Auch wir, Antifaschist*innen aus München, Regensburg und Passau, die auch in der Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv sind oder waren, wollen unsere Kritik am „Aufstand der letzten Generation“ in diesem Text schildern und öffentlich teilen. Unseres Erachtens nach ist eine Kritik am „Aufstand der letzten Generation“ notwendig, um den autoritären und populistischen Charakter der Gruppe aus linker Perspektive zu beleuchten. Wir möchten mit diesem Text Menschen erreichen, die bei der „letzten Genration“ aktiv sind, oder überlegen, sich dort zu engagieren; damit sie sich fundiert mit der Gruppe, ihren Zielen und der Struktur auseinandersetzen, bevor sie sich dort beteiligen und reflektieren, ob sie wirklich Teil dieser Gruppe sein wollen. Bei unserer Kritik ist uns aber besonders wichtig, aus linker Solidarität heraus zu sprechen und zu kritisieren, ohne – wie viele bürgerliche Medien oder Rechte – die Ernsthaftigkeit der Klimakrise zu leugnen oder bestimmte Aktionsformen und zivilen Ungehorsam per se abzulehnen. In der Klimagerechtigkeitsbewegung gibt es bereits viele basisdemokratische und linksradikale Gruppen, die Klimagerechtigkeit mit Systemkritik verbinden, Kämpfe zusammen denken und bei denen die Gesundheit und das Wohlbefinden der Aktivist*innen an erster Stelle steht – all diese Punkte sehen wir bei der „letzten Generation“ nicht erfüllt.
In diesem Text teilen wir unsere Gedanken in drei Abschnitte: Zuerst gehen wir auf die Organisation der „letzten Generation“, und hierbei insbesondere auf den Umgang der Gruppe mit Repression, ein. Im zweiten Teil befassen wir uns mit den Inhalten der Gruppe und analysieren anschließend ihre öffentliche Präsentation nach außen. Am Ende findet ihr unser Fazit / ein „too long, didn’t read“.

1. Organisation

Umgang mit Repression

Für eine Organisation, deren meisten Aktionen zivilen Ungehorsam, also das bewusste Brechen von Gesetzen darstellen, hat die „letzte Generation“ einen erschreckend schlechten Umgang mit Repressionen. Dieser muss im Fokus einer Kritik stehen, da durch „den Aufstand“ junge und engagierte Aktivist*innen durch den verantwortungslosen Umgang mit Repression schlicht verheizt werden.
„Wir akzeptieren die Konsequenzen unserer Taten und stehen mit unserem Gesicht und unserem Namen dazu.“ [https://letztegeneration.de/mitmachen/] steht als erster der Werte der Gruppe auf ihrer Webseite, zu denen sich alle Aktivist*innen bekennen müssen. Es bleibt also keine andere Wahl, als sich widerstandslos Repression in Form von Bußgeldern, Ingewahrsamnahmen oder sogar Haft auszusetzen – und dies nicht als unerwünschter Nebeneffekt der Aktion: „Wochenlang in Haft zu gehen“ wird auf Social Media sogar als Aktionsziel genannt, man könne ja nicht alle wegsperren. Die psychischen und materiellen Folgen von derartiger Repression scheinen hingegen nicht ernstgenommen zu werden. In Vorträgen wird behauptet, Gefängnisse in Deutschland seien „ja nicht so schlimm wie in anderen Staaten“, in denen man gefoltert werde, von demher könne man das easy in Kauf nehmen. Zwischen den Zeilen wird gleichzeitig die fatale Erzählung aufgebaut, je öfter man schon Repression auf sich genommen hätte, desto „cooler“ sei man und desto wirksamer sei die Aktion. Für andere Aktionen – wie die in Berlin am 18. Juni 2022 muss man sich sogar anmelden: mit vollem Namen und Telefonnummer, und wenn man schon dabei ist, muss man auch eine Handlungserklärung abgeben, mit der man die verbindliche Teilnahme an der Aktion zusagt und erklärt, auch die damit verbundene Repression in Kauf zu nehmen. So werden Aktivist*innen dazu gedrängt, sich Repression auszusetzen – wenn sie dies nicht tun wollen, können sie gar nicht mehr bei Aktionen mitmachen. Die Folgen dieser müssen jedoch individuell getragen werden – das (sehr kleine) Legal Team vermittelt höchstens an solidarische Anwält*innen und beantwortet Fragen – der Grundgedanke, dass Repression von allen mitgetragen werden sollte, scheint hier nicht zu gelten. Stattdessen wird empfohlen, sich solidarische Anwält*innen zu suchen, und für die Zahlung von Bußgeldern die Rote Hilfe zu fragen oder sie selbst zu zahlen – im äußersten Fall, wenn man nicht zahlen kann und keine Ersatzfreiheitsstrafe absitzen will, kann eine Spendenkampagne gestartet werden. Größtenteils sollen die Aktivist*innen wohl jedoch alles so gut wie möglich selbst regeln. Dass Repression auch längerfristige Folgen hat als ein Bußgeld oder eine Haftstrafe – und das allein ist schon zu viel – wird nicht wirklich bedacht. Dabei können die psychischen Folgen von Polizeigewalt oder Haftstrafen immens sein – und eine Vorstrafe erleichtert das Leben auch nicht wirklich. Das ist kein nachhaltiger Aktivismus, der darauf abzielt, dass alle Aktivist*innen so unbeschadet wie möglich aus der Aktion gehen und genügend (materielle wie psychische) Ressourcen haben, um noch länger Aktivismus zu betreiben. Wenn gerade junge Menschen so dazu gedrängt werden, Repression in Kauf zu nehmen, führt das dazu, dass viele motivierte Aktivist*innen verbrannt werden und sich nach einigen Repressionserfahrungen nicht mehr engagieren können – einfach weil die Erfahrungen psychisch oder finanziell zu belastend waren, um dies fortführen zu können. Der Grundsatz, „mit Namen und Gesicht“ zu den Aktionen zu stehen, führt nur zu mehr Schaden als Nutzen für die Einzelpersonen. Auch werden einzelne Menschen ein einfaches Ziel – nicht nur von polizeilicher Strafverfolgung – sondern auch von Hasskampagnen aufgebrachter Bürger*innen wie (organisierter) Rechter, denen nun die Namen und Gesichter der ihnen so verhassten Aktivist*innen bekannt sind. Zumindest auf der Webseite und in den Vorträgen wird diese ernstzunehmende Gefahr nicht einmal erwähnt, ein Schutzkonzept gibt es noch weniger. Dass all das nicht lange gut geht und viele junge Menschen durch die Aktionen des „Aufstands der letzten Generation“ langfristig geschädigt werden, ist für uns nur eine Frage der Zeit.

2. Inhalte

Emotionalisierung – Appell an Affekte und Emotionen

Eine zentrale Strategie der Öffentlichkeitsarbeit der Gruppe ist das Abzielen auf Emotionalisierung. Allein der Name strotzt nur so vor Pathos und es gibt praktisch keinen Flyer und kein Plakat, das nicht emotionalisierend wirkt. Der Satz „Bist du verzweifelt, wie heftig die Klimakrise deine Liebsten treffen wird?“ füllt eine ganze Seite eines Flyers, der in Passau verteilt wurde, auf der anderen Seite steht unter anderem „Du kannst entweder rumeiern und nichts tun oder Verantwortung übernehmen und deine Liebsten schützen.“ und „[Der Klimawandel] wird Deinen Job, Deine Familie, diese Stadt zerstören.“. Auch in den Vorträgen wird ausführlich aufgezeigt, welche drastischen Folgen der Klimawandel haben wird, um dann intensiv darauf einzugehen, „wie es einem mit diesem Wissen geht“. Dabei geht es der „letzten Generation“ nicht darum, mit Fakten und einer Orientierung an der Realität über die Folgen des Klimawandels aufzuklären und Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, sondern um das Schüren von und die Ausnutzung der Ängste der Menschen, die so zu Aktivismus gebracht werden sollen. Aktivismus – genauer gesagt, der Plan der Gruppe – wird dabei als einziger Ausweg dargestellt, die psychische und physische Belastbarkeit ist dabei egal. Denn im Umkehrschluss bedeutet die Aussage der „letzten Generation“, dass die, die nicht an ihrem ‚Aufstand‘ teilnehmen, ihre Verantwortung nicht wahrnehmen würden und sich somit schuldig machen würden. Oder um es in den Worten der Gruppe zu sagen: „Was ist deine Verantwortung an einem einzigartigen Punkt in der Geschichte der Menschheit?“

Dabei wollen wir nicht die tatsächliche Angst relativieren, die viele Menschen wegen der Klimakrise haben. Diese Angst ist natürlich berechtigt und nachvollziehbar. Wir wollen vielmehr die „letzte Generation“ dafür kritisieren, dass sie diese Angst ausnutzen und Menschen Schuld- und Verantwortungsgefühle machen und ihnen so das Gefühl geben, sich nur über Aktionen und letztendlich Selbstaufopferung von dieser Schuld befreien zu können.

Fehlende Gesellschaftsanalyse

Ein weiterer Punkt, an dem wir unsere Kritik ansetzen, ist die fehlende theoretische Fundiertheit der „letzten Generation“. Jeder Aktivismus sollte eine theoretische Grundlage haben, eine Analyse der Gesellschaft, um den Protest sinnvoll planen und durchführen zu können. Der „letzten Generation“ scheint eine solche Analyse zu fehlen. Zwar wird auf der Website behauptet, dass die globalen Zusammenhänge von etwa Rassismus und der Klimakrise erkannt werden (https://letztegeneration.de/mitmachen/), allerdings produzieren die öffentlichen Äußerungen ein anderes Bild. Es wird von der Zerstörung „unsere[r] Wirtschaft“ (Flyer in Passau) gesprochen und die Befürchtung geäußert, dass die eigenen Kinder in 10-20 Jahren „kein Essen mehr bekommen“ (eine Aktivistin in der RBB Abendschau vom 31.1.22). All diese Äußerungen zeichnen nach, dass die Aktivist*innen der „letzten Generation“ die rassistische Komponente der Klimakrise, die bspw. im Globalen Süden schon heute konkret die Leben von Menschen bedroht, kaum zu interessieren scheint. Bei dem Kampf gegen die Klimakrise darf es nicht um ‚unsere‘ Wirtschaft gehen und ‚unsere‘ Kinder dürfen nicht im Vordergrund stehen. Die Klimakrise ist ein globales Problem, das aber für Menschen in Ländern des Globalen Südens wesentlich gefährlicher ist als in Deutschland. Das nicht zu erkennen und nicht in die Theorie und die Praxis einer Gruppe einfließen zu lassen, ist nicht nur politisch unreflektiert, sondern enthält auch potentiell nationalistisches Gedankengut und zeigt, dass die „letzte Generation“ sehr wenig bis keine theoretische Fundierung für ihren Aktivismus hat. Zusätzlich wird der entscheidende Faktor für das Entstehen der Klimakrise, der Kapitalismus, nicht benannt und kritisiert. Ginge man nach den Äußerungen und dem Aktivismus der „letzten Generation“, so ließe sich der Klimawandel abwenden, wenn kein Essen mehr weggeworfen und keine großen Autos mehr gefahren würden. Dass das komplett falsch ist, müssen wir an dieser Stelle wohl nicht weiter ausführen. Eine umfassendere Kritik der Klimakrise muss die kapitalistischen Arbeits- und Produktionsweisen kritisieren und die Kritik zum zentralen Punkt des Engagements machen. Auch darf sie nicht (nur) die Individuen treffen. Durch Änderung des individuellen Konsumverhaltens kann die Klimakrise nicht abgewandt werden. Der Kapitalismus und die damit verbundenen Unterdrückungsverhältnisse sind das Problem. Aktivismus gegen den Klimawandel muss das kapitalistische System als Ursache benennen und sich gegen dieses richten.

Männlichkeit und Todessehnsucht

Aus feministischer Perspektive muss kritisiert werden, dass die „letzte Generation“ in ihrer Mobilisierung stark an stereotype und gewaltsame Männlichkeitsbilder und -ideale appelliert. So heißt es auf einem Flyer aus Passau: „Du kannst entweder rumeiern und nichts tun oder Verantwortung übernehmen und deine Liebsten schützen“. Das Ansprechen einer solchen soldatischen, harten und kämpferischen Männlichkeit, die die Initiative ergreift und Alles gibt, um die Familie zu schützen, geht einher mit der sehr hohen Opferbereitschaft, die die „letzte Generation“ von ihren Aktivist*innen fordert und entspricht typischen Bildern von Männlichkeit: Dabei wird Männlichkeit als Bild des heroischen Retters, Kämpfers und Märtyrers inszeniert. Das ist im Patriarchat nicht nur gesamtgesellschaftlich sowie für die Individuen gefährlich, sondern wirkt im Kontext der Klimakrise, die bereits heute FLINTA* (Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nicht-binäre, trans* und A-gender-Menschen) verstärkt betrifft, besonders zynisch. Als weiteres Motiv von Männlichkeitsbildern, die bei der „letzten Generation“ aufkommen, muss auch die sog. „Todessehnsucht“ der jungen, soldatischen Männer erwähnt werden: Sie ist sowohl durch die Untergangsrhetorik in der Kampagne der Gruppierung, als auch durch die Aktionsformen, bei denen Aktivist*innen durch fahrende Autos oder wütende Passant*innen gefährdet werden können (während sie auf der Straße festgeklebt sind), feststellbar.
Dass sich von diesen Männlichkeitsbildern vor allem Männer angesprochen fühlen, die hegemonialen / toxischen Männlichkeitsidealen entsprechen, haben wir sowohl selbst im eigenen Umfeld, als auch beim medialen Personenkult um einzelne Männer der „letzten Generation“ bemerkt. Diesen Personenkult um einige wenige Männer, der im Übrigen zum sektenartigen Erscheinen der „letzten Generation“ beiträgt, lehnen wir ab und halten wir für patriarchal, autoritär und gefährlich.

„Palingenetische“ Erzählung als Framing für die Klimakrise

In ihrer Mobilisierung und Rhetorik bedient sich die „letzte Generation“ immer wieder drastischer Weltuntergangs-Szenarien und baut eine bedrohliche Endzeitstimmung auf. Sicherlich ist die Klimakrise die existenzielle Frage unserer Zeit; mit dem absoluten Motiv des apokalyptischen Untergangs-Szenarios stößt die „letzte Generation“ aber in Richtung eines Zustands permanenter pessimistischer Paranoia. Dabei drängt sich das Bild einer großen bevorstehenden Katastrophe, die die ansonsten funktionierende, ‚gute‘ und reine Gesellschaft korrumpiert, auf. Diese nahende Katastrophe soll (um jeden Preis) abgewendet werden. Gleichzeitig wirkt es in der Erzählung der Gruppe so, als sei dies das einzige Problem – ist die Klimakrise abgewendet, sei alles wieder gut. Die schon bestehenden gesellschaftlichen Probleme, die auch dann weiter existieren würden, werden nicht beachtet.
Die Erzählung eines übermächtigen Übels, das die Welt befällt und von dem die Menschheit sich befreien muss, kann strukturell antisemitisch wirken und hängt eng zusammen mit der – bereits dargelegten – fehlenden theoretischen Gesellschafts- und Systemkritik der herrschenden Verhältnisse. Neben dem latenten strukturellen Antisemitismus bedient sich die „letzte Generation“ in ihrer Kampagne auch Aussagen, die sich tatsächlich und offensichtlicher Shoah-relativierend darstellen: So wird die Klimakrise in einem Flyer mit den „schlimmsten Folgen der menschlichen Geschichte“ in Verbindung gebracht; in einem Mobivortrag in Passau wurde der menschengemachte Klimawandel als das „größtes Verbrechen, das man sich vorstellen kann“ bezeichnet.

„Autoritäre Unterwürfigkeit“ und Staatshörigkeit

Schon der Name des „Aufstands der letzten Generation“ impliziert ein Auflehnen gegen etwas, gegen die Klimakrise und das System, das diese bedingt – allerdings muss der „Aufstand“ in diesem Fall als ein autoritärer verstanden werden. Wie schon zuvor ausgeführt, wird keine Analyse der Ursachen der Klimakrise vorgebracht und Protest wie Protestform können kaum theoretisch oder analytisch begründet werden. Besonders erkennbar ist das daran, dass das Ziel des Protests und die Instanz, an die sich alle Forderungen richten, der deutsche Staat, die Bundesregierung sowie einzelne Politiker*innen sind. Das ist ziemlich genau das Gegenteil von Systemkritik oder einem tatsächlichen „Aufstand“. Hier werden keine Macht- und Herrschaftsstrukturen hinterfragt oder gar Alternativen geboten. Das Ziel der oberflächlichen Kritik ist vielmehr eine Aufforderung zum staatlichen Handeln. Deutlich wird, dass die Autorität und Herrschaftsstrukturen keineswegs an sich in Frage gestellt werden, sie werden bestätigt – das (vermeintlich) einzige Problem ist ihre Schwäche im Angesicht der Klimakrise. Ganz autoritär liegt das Problem also nicht bei der Herrschaft an sich, sondern darin, dass diese zu schwach sei, um ihren eigentlichen Auftrag zu erfüllen; herbeigewünscht wird sich nicht etwa eine herrschaftsfreie Welt, sondern eine stärkere staatliche Autorität. So könnte man den „Aufstand der letzten Generation“ als eine autoritäre Rebellion beschreiben, die – solange sie auf dieser oberflächlichen und vereinfachenden Ebene der Analyse stehen bleibt – keine sinnvolle Veränderung herbeiführen kann, weil genau die Strukturen, die in die Klimakrise geführt haben und seit Jahrzehnten an ihrer Bekämpfung scheitern, von ihnen auch noch bestätigt werden. Wünschenswert wäre hingegen ein Ansatz, der die Herrschaftsstrukturen tatsächlich hinterfragt und effektive Lösungen sucht, die nicht vom Wohlwollen einiger weniger abhängen – sondern die kollektiv als Gesellschaft erreicht werden.

Offenheit nach Rechts

Zwar gibt die „letzte Generation“ auf ihrer Website zu ihren Werten an, dass sie keine Diskriminierung duldet; gleichzeitig seien alle Menschen in ihrer Vielfalt willkommen. Die fehlende Gesellschaftskritik der „letzten Generation“, die Kapitalismus, Rassismus, Sexismus und andere Formen der Ausbeutung marginalisierte Gruppen ernst in den Blick nimmt, sowie der eigene Anspruch, eine Massenbewegung zu sein, resultiert in einer fehlenden Abgrenzung zu rechter Agitation. Die „letzte Generation“ möchte Mehrheiten für ihre Ziele und Aktionen gewinnen – möglichst alle Menschen sollen Teil der Bewegung werden, (gerade) auch die „bürgerliche Mitte“. Ein Problembewusstsein oder eine Distanzierung zu Nazis, Antisemit*innen, Rassist*innen etc. ist hierbei nicht erkennbar; ebenfalls sind keine Strategien zur Vermeidung der Vereinnahmung oder Unterwanderung der Bewegung durch Rechtsextreme oder Verschwörungsideolog*innen ersichtlich. Im Gegenteil kann sogar beobachtet werden, zu was diese fehlende Distanzierung oder Auseinandersetzung mit rechten Strukturen führt: im Pressespiegel auf der Webseite der Gruppe werden regelmäßig auch rechte, verschwörungsideologische und sogar neonazistische Webseiten verlinkt und damit auch beworben. Für eine emanzipatorische Gruppe ist das ein unhaltbarer Zustand.

3. Präsentation der Gruppe nach Außen

Personenkult

Ein weiterer Punkt, den wir kritisieren wollen, ist die Zentriertheit der Gruppe um einzelne Personen. Während des Hungerstreiks im letzten Jahr wurde immer mit den vollen Namen der Aktivist*innen geworben und auch bei Vorträgen stehen die Klarnamen der Vortragenden auf den Plakaten, auf social media werden deren private Profile verlinkt. Das ist problematisch, denn so wird eine Heroisierung einzelner (meist männlicher) Personen möglich. Das spielt auf der einen Seite mit der oben kritisierten Männlichkeitsvorstellung zusammen, ‚in der ersten Reihe gegen den Feind‘ zu stehen und produziert gleichzeitig auch Hierarchien in der Gruppe (und erleichtert Repressionsbehörden im Übrigen ihre Arbeit um ein Vielfaches). Das sollte in keinem emanzipatorischen Kampf Platz haben. Zusammen mit der oben genannten Emotionalisierung ergibt sich eine sektenhafte Struktur in der Gruppe, die sich immer stärker durch emotionale Zentrierung um wenige Personen auszeichnet.

Tatsächliche Gefahr für Aktivist*innen durch Gegner*innen

In letzter Zeit kann man immer wieder lesen, dass Aktionen der „letzten Generation“ von aufgebrachten Autofahrer*innen oder Passant*innen angegriffen wurden. Das ist natürlich absolut zu verurteilen. Dass die Orga-Struktur der Gruppe dabei aber anscheinend keine adäquaten Maßnahmen ergreift, um Angriffe auf Aktivist*innen zu verhindern und den Schutz der Proteste (z.B. durch ausreichend andere anwesende Aktivist*innen, die nicht festgeklebt sind oder informierte Journalist*innen) zu gewährleisten, ist gefährlich und unterstreicht die Fahrlässigkeit, mit der die „letzte Generation“ ihre Aktivist*innen behandelt. Durch diese tatsächliche konkrete körperliche Gefahr, der Aktivist*innen bei den Aktionen ausgesetzt sind, wird die Aktionsform der „letzten Generation“ ad absurdum geführt: Sie sind damit angewiesen auf den Schutz durch Cops und die „Staatsgewalt“, die anschließend aber Repressionen gegen die Aktivist*innen ausüben wird. Aktionen, bei denen Aktivist*innen (physisch wie psychisch) verletzt werden können, müssen gut durchdacht sein und es müssen alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden, damit Übergriffe verunmöglicht werden. Neben fehlender Rechtshilfestrukturen und Vorbereitung haben wir den Eindruck, dass die „letzte Generation“ durch ihr unvorsichtiges Auftreten auch in diesem Punkt eine Gefahr für aktive Menschen darstellt.

Verfehlen des eigenen Ziels

Zum Schluss soll noch darauf eingegangen werden, ob die „letzte Generation“ ihre eigenen Ziele überhaupt erfüllen kann. In ihrer Darstellung wird – wie schon ausgeführt – häufig emotionalisiert, es wird gefragt, wozu man bereit ist, um die Klimakrise aufzuhalten. Ein hohes Ziel, das jedoch mit diesen Aktionsformen wie Inhalten nicht erreicht wird. Ein Appell an staatliche Autorität wird die Klimakrise nicht aufhalten, denn die Regierung(en) zeigen schon lange genug, dass ihnen die Folgen ihres Handelns bewusst sind und sie dennoch weiterhin die Krise eher befeuern als bekämpfen. Auch die „Mitte der Gesellschaft“, die man ja in die Massenbewegung einspannen will, wird durch Blockaden, die sie selbst stören, eher nicht zum „Aufstand“ hinzukommen, sondern sich vermutlich eher frustriert abwenden und fragen, warum nicht die Industrie, die ungleich mehr zur Klimakrise beiträgt als einzelne Autofahrer*innen, Ziel der Störaktionen ist.
Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht beim „Aufstand der letzten Generation“ also kein bisschen auf, und der immense Preis, den junge, engagierte Aktivist*innen wegen ihrer Aktionen zahlen müssen, wird am Ende wohl umsonst gewesen sein.

Fazit

Insgesamt müssen wir dringend davon abraten, sich an Aktionen des „Aufstands der letzten Generation“ zu beteiligen. Durch die emotionalisierende Rhetorik wie die Vermittlung eines autoritären Weltbildes, in dem soldatische Männlichkeitsbilder genau so wie pessimistische Untergangszenarien eine zentrale Rolle spielen, werden engagierte Menschen dazu gedrängt, sich einem völlig verantwortungslosem Umgang mit Repression auszusetzen. Eine theoretische Grundlage für das Handeln oder eine durchdachte Gesellschaftskritik, aus der Aktionsformen hervorgehen, scheint die Gruppe nicht zu haben, und so ist nicht abzusehen, dass die Aktionen einen sinnvollen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise leisten werden.
Wir finden es unglaublich schade, Mitstreiter*innen im Kampf gegen die Klimakrise so scharf kritisieren zu müssen, haben jedoch das Gefühl, dass dies langsam dringend notwendig ist – in der Hoffnung, dass ein Umdenken sowie Reflexion innerhalb der „letzten Generation“ noch möglich ist – und dass Menschen, die überlegen, dort mitzumachen, sich erstmal andere, effektivere Projekte oder Gruppen suchen, in denen sie sich engagieren können, ohne den aufgezählten Gefahren relativ schutzlos ausgesetzt zu werden.